In einem deutschen Audio-Forum wurde ich aufmerksam auf einen kleinen
3 Watt "starken" Desktop Amp der amerikanischen Firma Schiit, der auf den Namen REKKR hört.
Es handelt sich bei diesem kleinen Verstärkerchen (passt auf eine Handfläche und wiegt gerade einmal 450g) nicht um einen der üblichen Class D Vertreter, sondern um einen vollständig diskret aufgebauten, stromgegengekoppelten AB-Verstärker mit einer Leistung von 2W an 8Ohm, bzw. 3W an 4Ohm. Gespeist wird der Verstärker nicht von einem Schaltnetzteil, sondern von einer kleinen 6Volt~ 2A (12VA) "Wandwarze".
Gedacht ist der kleine Schiit hauptsächlich als Verstärker für den Schreibtisch, der ein Paar Desktop-Lautsprecher antreibt.
Als ich mir auf der Website der Firma Schiit den Verstärker ein wenig genauer anschaute, kam mir die Idee etwas Ähnliches auf die Beine zu stellen. So ein kleiner, für wenig Geld (komplett inkl. Gehäuse für max. 100 €) aufzubauender Verstärker, könnte durchaus reizvoll sein zu entwickeln.
Endlich mal keine dicken, fetten Trafos, keine ganze Armada von Netzteilelkos und keine riesigen Kühlkörper. Stattdessen eine kleine, aber feine und gut klingende Elektronik, die absolut preiswert und ohne großen Abgleichaufwand, auch von einem im Selbstbau nicht so erfahrenen Musikliebhaber, realisierbar sein sollte.
Also machte ich mich ans Werk und nahm als Basis die Schaltungstopologie der SE-Verstärkerreihe. Diese wurde dahingehend modifiziert, dass nun ein wesentlich geringerer Ruhestrom fließt (160mA) und die Endstufe jetzt als reine SRPP-Schaltung und somit vollständig als Gegentaktverstärker arbeitet, also ohne den Eintaktbereich, wie es bei den SE-Verstärkern der Fall ist.
Da es möglich sein sollte, den Verstärker für weniger als 100 € aufzubauen, wurde auf ein eigenes Netzteil verzichtet und stattdessen ein handelsübliches Notebook-Netzteil verwendet. Dies hat auch den großen Vorteil, dass nirgend-wo offen Netzspannung anliegt und der Aufbau somit sehr sicher realisierbar ist. Des Weiteren musste der aufwändige und sehr zeitintensive Paarungs- und Selektionsaufwand der Transistoren entfallen. Bei den SE-Verstärkern ist dies unumgänglich, da diese vollkommen gleichspannungsgekoppelt sind. Ein Laptop-Netzteil generiert jedoch lediglich eine unipolare Betriebsspannung, so dass hier sowieso nur eine Wechselspannungskopplung in Frage kommt. So-mit müssen auch keine Halbleiter mehr aufwändig selektiert und gepaart wer-den, da sich ein driften der Transistorarbeitspunkte nun nicht mehr mit einem Versatz (Offset) der Gleichspannung am Verstärker-Ausgang bemerkbar machen kann.
Trotz Verwendung handelsüblicher und preiswerter Laptop-Schaltnetzteile, ist der Verstärker ruhig ... kein Rauschen oder Knistern. Mit dem Ohr direkt am Hochtöner, war jedoch ein ganz leichtes Sirren vernehmbar, was aber schon in einem Abstand von rund 20cm nicht mehr hörbar war.
Nun zum Wichtigsten, wie klingt der Verstärker denn überhaupt?
Und da kann ich ohne Übertreibung sagen ... wirklich absolut super. Allerdings erst nach einer klangentscheidenden Modifikation!
Zuerst betrieb ich die Endstufe nur mit einem Ruhestrom von 100mA. Mir ist zwar durchaus bekannt, dass MOSFET-Endstufen einen recht hohen Ruhe-strom benötigen um klanglich voll überzeugen zu können. Um aber die Verlust-leistung möglichst gering zu halten, entschied ich mich zuerst für moderate 100mA Querstrom durch die Endtransistoren. Ich dachte, dass diese Strom-stärke für einen Verstärker mit maximal 6 Watt Ausgangsleistung schon dicke ausreichend sein müsste ... dies war aber ein gewaltiger Trugschluss!!!
Nach Abgleich und gut halbstündiger Warmlaufzeit, klemmte ich den Verstär-ker an die bewährten HECO "Zweiklang". Ein Lautsprecher mit einem recht hohen Wirkungsgrad und gutmütigem Impedanzverlauf, also genau der richti-ge Partner für so einen Kleinleistungsverstärker.
Gehört wurden wieder meine vertrauten Testschallplatten (einige davon findet man in diesem Bericht), die allesamt hervorragend gut aufgenommen sind und die ich in- und auswendig kenne.
Im ersten Moment klang alles zunächst prima. Das Frequenzspektrum wurde sauber wiedergegeben, der Hochtonbereich löste gut auf, Sprachen, bzw. Ge-sang kamen recht natürlich und der Bassbereich hatte, obgleich der geringen Ausgangsleistung, richtig Kraft und Schmackes.
Aber mit zunehmender Hördauer wurde ich immer unzufriedener mit dem Klang-Ergebnis. Der mittlere Frequenzbereich, ganz deutlich hörbar bei weib-lichen Stimmen, "klebte" förmlich an den Lautsprechern und löste sich nicht gut ab, es fehlte deutlich hörbar an räumlicher Tiefe. Stimmen klangen somit ein wenig eingeengt und es mangelte dadurch auch an Stimmvolumen.
So hatte ich mir das eigentlich nicht vorgestellt!
Ein Vergleich mit dem SE60 spez. zeigte diesen Mangel dann sofort eklatant auf. Auf der einen Seite eine luftige, räumliche und farbige Wiedergabe mit vielen Klangnuancen. Auf der anderen Seite ein doch etwas eingeengtes und flaches Klanggeschehen, ohne große räumliche Tiefe.
Da musste ich also noch mal ran!
Zuerst modifizierte ich versuchsweise den Arbeitspunkt des Differenzverstär-kers. Ich glich U1 nicht auf 0mV ab (siehe dazu auch den Schaltplan und die Aufbauanleitung), sondern ließ gewollt unterschiedliche Ströme durch die bei-den Transistoren fließen. Dadurch steigt der Klirrfaktor an, was häufig mit einer etwas luftigeren Wiedergabe einhergeht. Tja, was soll ich sagen - es tat sich durchaus etwas, aber nur recht marginal. Am eigentlichen Mangel änderte diese Maßnahme leider nicht viel.
Nächster Versuch - Erhöhung des Ruhestroms ... und das war der Durchbruch! Obwohl ich den Ruhestrom lediglich um 50 mA, von 100 auf 150mA erhöhte, war der kleine Verstärker kaum mehr wiederzuerkennen. Alle klanglichen Defi-zite waren auf einmal wie weggeblasen. Plötzlich hatten weibliche Stimmen Volumen und klangen nicht mehr eingeengt und gepresst. Alles erschien sofort viel räumlicher, die Musik löste sich von den Lautsprechern und hatte Tiefe. Der Hochtonbereich klang nun noch feiner aufgelöst und silbriger.Auch der Tieftonbereich profitierte, indem er mit mehr Druck und Bassgewalt kam.
Eine weitere Ruhestromerhöhung auf 200mA, brachte dann jedoch nur noch eine geringe Veränderung des Klangs mit sich. Es wurde vielleicht noch etwas luftiger und geringfügig besser auflösend, aber das stand eigentlich in keiner Relation mehr zur Wärmeentwicklung. Da mein verwendetes, recht kleines Gehäuse ohne Lüftungsschlitze daherkommt, hätte es an heißen Sommer-tagen im Gehäuseinneren eventuell zu warm werden können. Als Kompromiss wählte ich nun einen Ruhestrom von 160mA und beließ es final dabei.
Ja ich weiß, meine Klangbeschreibungen, einige Zeilen weiter oben, sind reine Klangschwurbelei, aber genau so, ohne Übertreibung, habe ich den Unter-schied erlebt.
Es macht jetzt unheimlich viel Spaß mit dem kleinen Verstärkerchen Musik zu hören. Der klangliche Unterschied zum SE60 spez. ist immer noch recht groß, aber der Abstand ist durch die Ruhestromerhöhung nun auf ein überschau-bares Maß geschrumpft.
Natürlich kann man den SE60, ein Verstärker der in Doppelmono-Ausführung rund 1.500 Euro kostet (abhängig von den Gehäusen und den verwendeten Cinch- und Lautsprecherbuchsen, bzw. Lautsprecherterminals auch durchaus noch mehr), nicht mit einem 100 Euro Verstärker vergleichen. Da aber die Schaltungstopologie beider Verstärker sehr ähnlich ist, bot sich zumindest ein kurzer, orientierender Quercheck an.
Viel passender und fairer ist natürlich ein Klang-Vergleich mit einem ähnlich preiswerten (Selbstbau)Verstärker und da konnte die Wahl nur auf El Cheapo, in der Version mit hohem Ruhestrom fallen. Mit dem drastisch erhöhten Ruhe-strom, klingt dieser Verstärker, gemessen am Aufwand und den Kosten, wirk-lich sehr gut.
Vergleichend wurden nun beide Probanden an meine kleine Umschaltbox an-geschlossen, mit der ich relaisgesteuert und ausgestattet mit einer kabelge-bundenen Fernbedienung, maximal drei Verstärker vom Hörplatz aus um-schalten und somit zeitnah klanglich beurteilen kann.
Hier zeigte sich dann, dass der "heiße" El Cheapo gegen den kleinen Desktop Verstärker einen verdammt schweren Stand hat.
Der kleine, max. 6 Watt leistende Desktop Amp, klang im gesamten mittleren Frequenzbereich luftiger, weiträumiger, mit mehr Tiefenstaffelung. Der Hoch-tonbereich feiner perlend und auflösender und selbst der Bass- und Tiefbass-bereich wurde von diesem Kleinleistungsverstärker druckvoller und auch etwas präziser wiedergegeben, als es der rund viermal leistungsstärkere El Cheapo vermochte.
Man muss jedoch bedenken, dass die angeschlossenen Lautsprecher einen recht hohen Wirkungsgrad von echten 93dB/W/m haben und auch der Impe-danzverlauf gutmütig ist. Mit einem kritischeren Schallwandler mag das klang-liche Ergebnis, insbesondere im Tieftonbereich, anders aussehen. Hier könnte dann El Cheapo eventuell punkten und im Vorteil sein.
Aber ein Verstärker mit einer derart bescheidenen Ausgangsleistung von max. 6 Watt ist natürlich auf passende Lautsprecher zwingend angewiesen.
Primär ist dieser kleine Amp, wie auch der REKKR von Schiit, eigentlich nur dazu gedacht, ein Paar Desktop-Lautsprecher auf einem Schreibtisch anzu-treiben. Diese Aufgabe wird er mit Sicherheit sehr gut erfüllen können. Aber klanglich ist er auch absolut in der Lage, als vollwertige Stereoendstufe im Wohnzimmer oder Hörraum zu fungieren ... passende, wirkungsgradstarke Lautsprecher natürlich vorausgesetzt.
Versehen mit einem Lautstärkepoti (siehe dazu auch S. 5, zweiter Absatz des PDF-Dokuments "Aufbauanleitung Desktop Amp") und betrieben mit einem
gut klingenden CD-Spieler oder Netzwerk-Player, kann dieser kleine Verstärker als superpreiswerte, minimalistische Stereoanlage sehr viel Klangvergnügen bereiten.
In Verbindung mit einem Netzwerk-Player kann auf das Lautstärkepoti eigent-lich immer verzichtet werden, da die Lautstärkeeinstellung, wenn nicht hard-waremäßig am Gerät vorhanden, dann doch zumindest über die angebotene App einstellbar ist.
Nachtrag (01.11.2024)
Nachdem in nun einige Tage sehr ausgiebig Musik mit Desktop Amp gehört habe, bin ich immer mehr begeistert vom Klang dieses kleinen Winzlings.
Man glaubt es kaum, mit welcher Wucht und Bassgewalt dieser Verstärker zu Werke gehen kann. Selbst brutalste Elektrobässe der Meister des Trip Hop Massive Attack brachten ihn nicht außer Tritt. Ein gutes Beispiel ist z.B. das Stück "Pray for Rain" auf ihrem 2010 erschienen Album Heligoland. Das hatte Saft und Kraft, selbst bei sehr hohen Lautstärken und dies in einem immerhin rund 33m² großen Raum.
Klar, es geht noch besser. SE60 spez. machte das Ganze noch eine ganze Ecke souveräner und lässiger und auch noch brutaler im Tiefgang. Aber man darf nicht vergessen, dass Desktop Amp lediglich ca. 6 Watt Ausgangsleistung aufbringen kann und von einem Billig-Netzteil aus China gespeist wird (von mir erworben für knapp 6 Euro auf eBay).
Es ist wirklich absolut erstaunlich, dass mit diesem geringen Bauteileaufwand und einem verschwindend geringen monetären Einsatz, ein wirklich prima spielender Verstärker herausgekommen ist. Mich hat das Ding gerade einmal knapp 65 € gekostet, weil ich alle Halbleiter und auch einige Elkos lagernd hatte. Aber das mit Abstand teuerste an diesem Projekt, also das Gehäuse, die Platine, die Cinch- und Lautsprecherbuchsen, sowie das Netzteil, habe ich gekauft.
Hat man vielleicht ein passendes Gehäuse und ein altes, ausgemustertes Lap-top-Netzteil zur Hand, kann der kleine Verstärker extrem preiswert aufgebaut werden. Da sind dann selbst die kleinen Class D Verstärker aus China nicht billiger.
Also, wer Spaß am Basteln hat, einigermaßen gut löten kann, sowie eine Stän-derbohrmaschine, M3 Gewindeschneider, ein wenig Werkzeug und über ein einfaches, preiswertes Digitalmultimeter verfügt, sollte diesen kleinen Watt-zwerg, der für max. 100 € zu realisieren ist, wirklich in die engere Wahl ziehen.
Man wird nicht enttäuscht werden!
Unten noch einige Bilder meines Aufbaus in ein Gehäuse von Douk Audio.
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