(unbedingt auch den NACHTRAG - El Cheapo beachten)
Aufmerksam auf diesen einfach aufgebauten und auch einfach aufzubauenden Verstärker wurde ich durch das AAA Analog Forum, wo sich ein Forist sehr viel Mühe gemacht hat, eine umfangreiche Aufbauanleitung mitsamt Platinenlayout zu erstellen und in dieses Forum einzustellen. Man merkt sofort, dass dort ein Audioliebhaber mit Herzblut bei der Sache ist.
Grundlage für El Cheapo sind typische Schaltungen aus den 60iger und Anfang der 70iger Jahre, also eingangsseitig kein Differenzverstärker, dafür ein zweistufiger Spannungsverstärker als "normale" Emitterschaltung ausgeführt, eine quasikomplementäre Gegentakt-Ausgangsstufe, unipolare Spannungs-versorgung und der damit auch verbundene, notwendige Auskoppelelko. Also absolut ausgereifter Standard, wie er damals üblich und auch zigfach erprobt war.
Der Vorteil dieses Verstärkers liegt auf der Hand, er arbeitet mit Standard-Halbleitern und Standard-Bauteilen, die man in fast jeder Bastelkiste findet, ist somit also sehr preiswert aufzubauen und der "Bastelerfolg" ist praktisch garantiert. Hält man sich an die Bauteildimensionierung, so kann eigentlich kaum etwas schief gehen.
Also machte ich mich ans Werk und baute den kleinen Verstärker kanalge-trennt auf zwei Lochrasterplatinen auf. Dabei hielt ich mich sklavisch an den veröffentlichen Schaltplan. Die vier Ausgangstransistoren selektierte ich auf gleiche Basis-Emitter-Spannung und gleiche Stromverstärkung. Leider ergab es sich, dass ich zwar exakt vier gleiche Transistoren fand, diese jedoch von zwei unterschiedlichen Herstellern waren, einmal von RCA der Typ 2N3055 und das andere mal der Typ MJ3055 von MOTOROLA.
Spätere Tests ergaben dann aber, dass beide Kanäle gleich klangen. Ich habe für diesen Test ein Monosignal jeweils auf den einen, sowie den anderen Kanal gegeben und dann mit einer relaisgesteuerten Umschaltbox einen direkten Mono AB-Vergleich durchgeführt. Dabei konnte ich keinerlei Unterschiede aus-machen, beide Verstärkerkanäle klangen exakt gleich.
Als Eingangskondensator hatte ich noch zwei gute WIMA 2µ2 MKP-Typen in meiner Bastelkiste gefunden und als Auskoppelkondensator kamen zwei 5600µF Elkos der Firma ELNA zum Einsatz. Die Spannungsversorgung jedes Kanals erhielt zwei parallelgeschaltete PHILIPS Elkos mit einer Kapazität von jeweils 2200µF, die ich auf die Platinenunterseite in unmittelbare Nähe der Endtransistoren lötete.
Da in der Aufbauanleitung darauf hingewiesen wurde, dass der Ruhestrom des Verstärkers mit einer stabilisierten Betriebsspannung driftfreier läuft, bestellte ich ein 150 Watt Netzteil der Firma MEAN WELL mit einer stabilisierten
Ausgangs-Spannung von 36 Volt. Diese Spannung habe ich dann auf rund
34 Volt reduziert, damit die 35 Volt Spannungsfestigkeit des Auskoppelelkos unter keinen Umständen überschritten werden kann.
Eine Anti-Plopp Schaltung wurde von mir ebenfalls noch ergänzend integriert. Da diese von der Verstärker-Betriebsspannung versorgt wird, musste ich zur Entkopplung noch eine 5 Ampere Schottky-Diode in Reihe zur Verstärker-Betriebsspannung schalten.
Schlussendlich arbeitete der Verstärker zu meiner besten Zufriedenheit. Alle Spannungs- und Stromwerte entsprachen, innerhalb der Toleranzen, genau meinen Berechnungen, kein Schwingen, kein Sirren, kein Brummen und auch der Ruhestrom blieb stabil auf den von mir eingestellten Wert von 30mA stehen.
So ließ ich den Verstärker dann erst einmal 24 Stunden "einbrennen". Wobei von einbrennen nicht wirklich die Rede sein konnte. Bedingt durch den fertig gebohrten, überdimensionierten Kühlkörper, den ich noch aus alten Bastel-tagen übrig hatte, erwärmte sich der Verstärker selbst nach diesen 24 Stunden vielleicht maximal um 5°C. Im Sinne steigender Strompreise also ein vorbild-liches Verhalten. Klar, bei einer Verlustleistung von gerade einmal 1 Watt pro Kanal, steigt die Kühlkörpertemperatur so eines "Aluminium-Trümmers" natürlich auch kaum an.
Um EL Cheapo mit dem SE12 spez. Mono klanglich vergleichen zu können, wurde seine Spannungsverstärkung mittels des im Gegenkopplungszweig liegenden Trimmers exakt auf 20dB (10-fach) justiert, also auf den gleichen Verstärkungswert wie die des SE12. Der Vergleich dieser beiden Verstärker bot sich an, da beide in etwa die gleiche Ausgangsleistung haben, wobei man jedoch fairerweise anmerken muss, dass der SE12 spez. Mono das wesentlich größer dimensionierte Netzteil aufweist und mit einer vollkommen anderen, "moderneren" Schaltungstopologie arbeitet (MOSFET-Transistoren, Differenz-verstärker, vollkommen gleichspannungsgekoppelt, spezielle SRPP-Ausgangs-stufe mit hohem Ruhestrom, die im kleineren Leistungsbereich im Eintakt-betrieb läuft).
Aufgrund der vollständigen Gleichspannungskopplung (0 Hz), benötigt dieser Verstärker jedoch ausgemessene Leistungs-, sowie gepaarte Eingangs-transistoren, was den Selbstbau nicht unerheblich erschwert.
El Cheapo dagegen läuft eigentlich mit allem was die Bastelkiste hergibt, ist somit also für einen Anfänger wesentlich nachbausicherer und erfolgreicher umzusetzen.
Nun aber endlich zum Wesentlichen, dem Hörtest bzw. Hörvergleich.
Als Abhörlautsprecher dienten die HECO "Zweiklang", die einen guten Wir-kungsgrad, einen gutmütigen Impedanzverlauf aufweisen und somit für Ver-stärker kleinerer Leistung sehr gut geeignet sind. Dieser Lautsprecher klingt sehr impulsiv, mit einer sehr guten Mitteltonwiedergabe, einem gut aufgelösten Hochtonbereich und präzisen, jedoch nicht ultratief gehenden Bässen. Dieser Lautsprecher kann, mit entsprechendem Musikmaterial, abgehen wie die "berühmte Feuerwehr" und es macht echt Spaß dynamisch aufgenommene Musik damit zu hören. Er kann aber genauso gut auch Feingeist sein und nicht nur Rocker.
Ich höre mir eine Komponente anfangs immer zuerst alleine an, also ohne Ver-gleichsobjekt, um mir einen ersten Eindruck zu verschaffen. Dabei fiel mir schon nach kürzester Zeit auf, dass El Cheapo starke Defizite in der Mittel- und Hochtonauflösung hat. Da fehlte wirklich eine ganze Menge!
Egal welche Platte ich auflegte, ob Cassandra Wilson, Kari Bremnes, Sade, Ulla Meinecke, John Campbell, Pat Coil, Al di Meola, The usual suspects, oder was auch immer, stets war ein deutlicher Auflösungsmangel zu hören, insbe-sondere im wichtigen Mitteltonbereich, etwas weniger ausgeprägt im Hochton-bereich. Dies war unüberhörbar!
Über meine kleine Umschaltbox, mit der man relaisgesteuert, über eine kabel-gebundene Fernbedienung, maximal drei Verstärker umschalten kann, wurde nun der SE12 spez. Mono vergleichend ins Rennen geschickt.
Sofort war wieder das feine Ausschwingen von Klaviersaiten oder Hi-Hats, das Fingerschnippen Ulla Meineckes auf dem Lied "Die Tänzerin" oder das Gitarrenflirren auf Chuck Mangiones Stück "Children of Sanchez" bis zum vollständigen Ausklingen hörbar. Teilweise hatte ich den Eindruck, dass der Mitteltonbereich von El Cheapo auch geringfügig leiser als der des SE 12 wiedergegeben wurde. Eigentlich konnte da irgendetwas nicht in Ordnung sein, so dachte ich zumindest.
Also klemmte ich alles wieder ab und untersuchte El Cheapo messtechnisch ein weiteres Mal ganz genau. Doch alles war im grünen Bereich. Der Fre-quenzgang war im Bereich 20Hz ... 20kHz bretteben und fiel sauber auf -3dB zu den Frequenzenden 7Hz und 70kHz hin ab. Die Verstärkung beider Probanden betrugen exakt 20dB (10-fach). Soweit war alles OK, da war überhaupt nichts Außergewöhnliches messbar.
Auch ein erneuter Mono-Hörtest des rechten und linken Kanals von El Cheapo ergab, dass ich keinerlei Unterschiede hören konnte, trotz unterschiedlicher Endtransistor-Hersteller.
Also alles wieder angeklemmt, erneut gehört und sofort war der Auflösungs-mangel wieder präsent. Es ist wohl in der Tat so, dass dieser Verstärker nur eingeschränkt in der Lage ist, feinste Musikinformationen wiederzugeben.
Von diesem Mangel einmal abgesehen, war aber die Basswiedergabe durch-aus in Ordnung, zwar nicht so stabil und tiefgehend wie die des Vergleichs-verstärkers SE 12 spez. Mono, aber trotzdem kann man damit prima leben. Auch löste sich der Klang durchaus recht gut von den Lautsprechern und lieferte auch ein in die Tiefe gehendes, leicht dreidimensionales Klanggesche-hen. Dies machte der SE 12 spez. Mono zwar auch etwas besser, aber da habe ich von anderen Verstärkern schon deutlich Schlechteres gehört.
Wäre da nicht der eklatante Mangel in der Mittel- und Hochtonauflösung, man könnte diesen kleinen, einfach nachzubauenden Selbstbau-Verstärker wirklich bedenkenlos empfehlen ... so aber leider nur mit Abstrichen.
Die fehlende Auflösung hat auch nichts mit einem warmen, röhrenähnlichen Klangbild zu tun, denn es gibt durchaus Verstärker die etwas gesoftet oder leicht "weich" und "zart" klingen, trotzdem aber eine gute und präzise Auflösung des Musikgeschehens bieten.
Als Fazit würde ich sagen, dass es für einen Anfänger trotzdem das richtige Einsteigerprojekt sein könnte. Denn er ist sehr preiswert und einfach aufzu-bauen, hat kaum Verlustleistung, benötigt zur Kühlung bei rund 35 Volt Versorgungsspannung auch nur vier kleine, preiswerte Fingerkühlkörper (laut Aufbauanleitung) und der "Bastelerfolg" stellt sich mit sehr großer Wahrschein-lichkeit sofort ein. Gepaart mit vielleicht etwas heller und frisch klingenden Lautsprechern, könnte das Klangergebnis alles in allem jedoch durchaus zufriedenstellend ausfallen ... der Auflösungsmangel bleibt trotz Verwendung solcher Lautsprecher natürlich weiterhin bestehen. Aber vielleicht lässt sich dieses Manko dadurch etwas kaschieren.
Für den erfahreneren Selbstbauer, der bereit und auch in der Lage ist mehr Geld zu investieren, kann ich nur El Clásico empfehlen. Bei diesem Verstärker müssen, wie bei El Cheapo auch, keinerlei Transistoren gemessen, selektiert oder gepaart werden und er ist diesem klanglich in allen Punkten sehr deutlich überlegen.
Wer noch eine kleine Stufe höher klettern möchte, der sollte SE50 spez. bzw. SE60 spez. ins Auge fassen. Beide Verstärker klingen noch einen Ticken besser als El Clásico. Leider ist aber sowohl der monetäre Einsatz, vor allem jedoch der Abgleichaufwand schon recht hoch. Das ist wirklich nur etwas für erfahrene Selbstbauer, die auch bereit sind eine gewisse Geldsumme in ihr Hobby zu investieren.
Unten noch einige Bilder meines finalen Lochrasterplatinen-Stereoaufbaus.