Nach dem doch leicht enttäuschenden klanglichen Ergebnis und der Veröffent-lichung auf dieser Website, kontaktierte mich der "Erbauer" des Verstärkers per E-Mail und es entwickelte sich eine nette Konversation, auch über andere Themen, die nicht direkt mit Audiotechnik in Verbindung standen.
Er machte mich darauf aufmerksam, dass zwei Foristen des AAA-Forums den Verstärker schon länger in Betrieb haben und klanglich sehr zufrieden wären. Allerdings würde El Cheapo bei ihnen mit einem viel höheren Ruhestrom laufen und auch die Spannungsverstärkung wurde auf 29dB (28-fach) erhöht. Mit diesen Änderungen ergäbe sich eine harmonische Klirrfaktorverteilung, die hauptsächlich K2 Verzerrungen enthält und bei der höhere Klirrkomponenten (K3 ... Kn) deutlich abfallen. Dies wurde auch mit einem Audio-Analyzer mess-technisch untersucht und bestätigt. Nach Aussage der beiden Foristen, würde El Cheapo mit diesen Änderungen keinerlei Mängel in der Hochtonauflösung zeigen und klanglich bestechend, fast schon beängstigend gut spielen.
Zur Anhebung des Ruhestroms wurde einfach der NTC entfernt, womit auch der Ruhestromtrimmer keine Funktion mehr hat. Der Ruhestrom bestimmt sich somit nur noch über den Spannungsabfall der drei in Reihe liegenden Dioden D1 ... D3. Durch diese Maßnahme stellte sich bei den beiden Verstärkern der AAA-Foristen ein Ruhestrom von rund 230 mA pro Kanal ein.
Glücklicherweise konnte ich die 230mA Ruhestrom ausschließlich durch vollständige Drehung des Ruhestrom-Trimmers im Uhrzeigersinn erreichen (der Wert des Trimmers beträgt dann 1 kOhm), ich brauchte also den Trimmer bzw. NTC nicht auslöten. Dies hat den Vorteil, dass der NTC zumindest noch gering thermisch korrigierend eingreifen kann. Im kalten Zustand startet der Ruhestrom bei meinem Aufbau bei ca. 160mA, um sich dann nach rund einer Stunde Betriebszeit und Erwärmung des Kühlkörpers auf recht genau 230mA zu stabilisieren. Dabei wurde mein Kühlkörper nach dieser Stunde doch merk-lich warm. Ich schätze mal so zwischen 50 ... 55°C, also ca. die Temperatur, die auch die SE-Verstärker nach einer rund einstündigen Betriebszeit erreichen.
Ich kann allerdings nicht garantieren, dass bei höherer Raumtemperatur, z.B. im Hochsommer, der Ruhestrom stabil bei ca. 230mA verbleibt und nicht wegläuft. Bei mir stabilisiert der NTC ja zumindest noch geringfügig den Ruhestrom. Bei vollständiger Entfernung des NTC, wie beim Vorschlag der beiden AAA-Foristen, kann dies bei hohen Außentemperaturen eventuell zu Problemen führen. Ich würde in diesem Fall zumindest eine der drei Dioden
(D1 ... D3) mit dem Kühlkörper in Kontakt bringen und die stabilisierende Wirkung der Diodenspannungs-Reduzierung bei Temperaturerhöhung aus-nutzen. Dies muss vor der endgültigen Inbetriebnahme und Einbau in das Gehäuse unbedingt genau getestet werden, da man ansonsten Gefahr läuft, dass der Ruhestrom thermisch davonläuft und die Endtransistoren in die "ewigen Jagdgründe" gehen.
Die Spannungsverstärkungs-Erhöhung erreicht man ganz simpel durch Redu-zierung des Trimmerwertes R6 (500R) auf rund 40R. Man kann den Trimmer auch vorteilhaft auslöten und durch einen 39R Festwiderstand ersetzen. Somit ist auch ohne Überprüfung durch Messgeräte (Frequenzgenerator, Oszillos-kop) sichergestellt, dass beide Kanäle die exakt gleiche Spannungsverstär-kung aufweisen.
Da ich den modifizierten El Cheapo natürlich wieder mit dem SE12 spez. Mono klanglich vergleichen wollte, musste ich die erhöhte Spannungsverstärkung von 29dB durch einen Eingangsspannungsteiler auf den Verstärkungsfaktor 20dB (10-fach) des SE12 spez. Mono reduzieren, damit beide Verstärker in der Summe wieder die gleiche Gesamtverstärkung aufweisen und somit beim
AB-Vergleich auch identisch laut sind.
Mit diesen Modifikationen ging El Cheapo dann erneut in den klanglichen Wett-streit.
Beide Verstärker wurden wieder an meine relaisgesteuerte kleine Umschaltbox angeschlossen, mit der ich vom Hörplatz aus, über eine kabelgebundene Fern-bedienung, die beiden Verstärker vergleichend umschalten kann.
Als Lautsprecher diente wieder die HECO "Zweiklang", die mit ihrem recht hohen Wirkungsgrad und einem unspektakulären Impedanzverlauf genau der richtige Partner für Kleinleistungs-Verstärker ist.
Zunächst höre ich mir den Probanden immer erst einmal alleine an, um mir einen ersten klangliches Eindruck zu machen ... und dieser erste Eindruck war ein ganz anderer als beim "kalten" El Cheapo, der nur mit 30 mA Ruhestrom lief.
Vergessen war der Hochtonmangel und das doch recht dumpfe, nicht offene und verhangene Klangbild. Plötzlich konnte man das feine Ausschwingen von Schlagzeugbecken hören, Gitarrensaiten flirrten, Klavierstücke klangen offen und durchsichtig ... der Verstärker war auf einmal kaum mehr wieder zu erkennen.
Also holte ich nahezu die gleichen Test-Schallplatten aus meinem Plattenregal hervor, die ich auch schon beim Test des alten El Cheapo verwendete. Diese Platten kenne ich in- und auswendig und alle haben eine exzellent gute Auf-nahmequalität.
Ich startete mit Pat Coil und dem Stück "Just ahead" von der gleichnamigen LP.
Im Vergleich zum SE12 spez. Mono klang der Klavierpart in der Mitte des Stücks beim "heißen" El Cheapo immer noch etwas stumpfer und weniger perlend, auch die Basswiedergabe war runder und nicht ganz so tiefgehend, aber die Unterschiede waren doch recht gering und die neue Version war klanglich um Klassen besser als die alte.
Weiter ging es mit Sade und dem Stück "Paradise".
Auch hier war die Hochtonauflösung etwas schlechter als beim kleinen
SE12-Verstärker, insbesondere war die Stimme grobkörniger und der Bereich des Mitteltons erschien etwas leiser. Dieser scheinbar leiser wiedergegebene Mitteltonbereich ist mir auch schon bei der
alten Version aufgefallen. Es scheint so, als ob im mittleren Frequenzbereich ein leichter Abfall vorhanden wäre, was aber messtechnisch definitiv nicht der Fall ist. Der Frequenzgang ist im
Bereich von 20 Hz bis 20 kHz praktisch bretteben.
Das nächste Stück war "The embrace" von Al di Meolas Platte "Kiss my axe".
Diese Platte und insbesondere dieses Stück, ist aberwitzig, fast schon brutal dynamisch aufgenommen.
El Cheapo meisterte diese Dynamiksprünge erstaunlich gut. Alles wurde zwar geringfügig runder und etwas gebremster wiedergegeben, aber man muss auch bedenken, dass bei meinem Aufbau lediglich ein preiswertes und einfaches 150 Watt Schaltnetzteil arbeitet und insgesamt pro Kanal lediglich 4400µF Siebkapazität verbaut sind.
Auch hier erschien die Gitarre etwas gröber und nicht ganz so sauber und fein ausschwingend wie beim kleinen SE12 spez. Mono, aber es machte trotzdem Spaß dem Klangspektakel zuzuhören.
Weiter ging es mit Cassandra Wilson und dem Stück "Blue light til dawn" von der gleichnamigen LP, mit Ulla Meinecke und dem Stück "Die Tänzerin", sowie Jennifer Warnes und dem Stück "Rock you gently" von ihrer Ausnahmeplatte "The hunter". Alles klanglich tolle Aufnahmen!
Auch hier schlug sich El Cheapo wirklich wacker. Aber die Stimmwiedergabe war bei allen drei Sängerinnen, wie schon erwähnt, gröber und rauher. Cassandra Wilsons Stimme klang weniger "erotisch", Ulla Meineckes Stimme körniger und das Fingerschnippen etwas weniger impulsiv. Bei Jennifer Warnes fehlte auch etwas Stimmvolumen. Das klingt jetzt dramatischer als es in Wirklichkeit ist, denn das machen auch viele Industrieprodukte der 1000€ Klasse nicht zwangsläufig besser.
Bis jetzt wurden nur Frauenstimmen gehört, also müssen jetzt mal die Männer ran.
John Campbell fehlte es bei dem Stück "One believer" doch schon etwas deutlicher an Stimmvolumen, ebenso Barry White, der als Gastsänger des Quincy Jones Stückes "The secret garden" von seiner tiefen, sehr voluminösen Stimme ein wenig einbüßte. Bei Michael Ruff und dem Stück "Any less than this" fehlte ebenfalls etwas Stimmvolumen, ebenso war das Gitarrensolo in der Mitte des Stücks etwas weniger prägnant, aber das ist Meckern auf durchaus hohem Niveau!
Diese Unterschiede fallen eigentlich auch nur im direkten AB-Vergleich auf. Hört man den neuen EL Cheapo solo, also ohne direkten Vergleich, fallen die Mängel gar nicht so störend ins Gewicht. Außerdem muss man anmerken, dass die gehörten Stücke allesamt sehr hochwertig aufgenommen sind, teil-weise sind das sogar speziell gepresste "audiophile" LPs. Mit normal aufge-nommenem Musikmaterial und entsprechend mittelmäßiger Klangqualität, was ja leider die Regel ist, sind wirklich nur relativ geringe Klangunterschiede feststellbar.
Fazit
Zwischen dem alten und dem neuen Verstärker liegen Welten!
Klang das Urmodell doch recht muffig, verhangen und wenig luftig, sind diese Attri-bute beim modifizierten Modell mit erhöhtem
Ruhestrom und höherer Spannungs-verstärkung wie weggeblasen. Dieser klingt frisch, aber nicht spitz oder analytisch, der Klang löst sich gut von den Lautsprechern, die Basswiedergabe ist prima
und man kann mit diesem Verstärker stundenlang Musik hören, ohne das irgendetwas nervt. Dieses kleine, einfache und preiswerte Verstärkerchen kann es durchaus mit Industrieprodukten der heutigen
1000€ Klasse aufnehmen. Bedingt durch die recht überschaubare Ausgangsleistung, sollte jedoch ein Lautsprecher mit ordentlichem Wirkungsgrad und einem gutmütigen Impedanzverlauf gewählt werden.
In diesem Punkt sind viele Fertiggeräte, bedingt durch die teils höhere Ausgangsleistung, natürlich flexibler einsetzbar.
Klingt der neue El Cheapo wirklich so bestechend, bzw. beängstigend gut, wie die beiden Musikliebhaber des AAA-Forums schrieben?
Nun, so weit würde ich definitiv nicht gehen.
Dazu ist der Mitteltonbereich dann doch nicht geschmeidig und feinklingend genug. Stimmen werden recht deutlich hörbar etwas zu grobkörnig, mit zu wenig Volumen wiedergegeben. Die Hochtonauflösung ist viel besser geworden, aber da geht natürlich doch noch ein wenig mehr. Die Basswiedergabe ist erstaunlich gut, trotz des einfachen Schaltnetzteils und der nicht üppigen Siebkapazität, aber auch hier geht es selbstverständlich noch tiefer und präziser. Der Klang löst sich wirklich sehr gut von den Lautsprechern und klebt nicht an der Lautsprechermembran. In dieser Disziplin war der Vergleichsverstärker SE12 spez. Mono nur geringfügig besser, indem einzelne Instrumente mit noch etwas mehr Tiefenstaffelung wiedergegeben wurden. Insgesamt war SE12 dem modifiziertem El Cheapo klanglich doch noch ein Stück überlegen, aber bei weitem nicht mehr in diesem Maße wie er es beim Urmodell noch war.
Mit einem hochwertigeren Eingangskondensator, sowie besserem Auskoppelelko, der vielleicht noch mit einem guten Folienkondensator gebrückt wird und einem fetten Netzteil mit ordentlich Siebkapazität, lässt sich mit großer Sicherheit klanglich noch einiges herausholen. Nur irgendwann wird aus El Cheapo dann mal El Teuro und der Reiz des preiswerten Selbstbau-Verstärkers ist dahin.
Schon jetzt wird El Cheapo ja etwas teurer als die ursprüngliche Version, da die preiswerten Fingerkühlkörper zur Kühlung der Endtransistoren nun definitiv nicht mehr ausreichen. Da muss nun ein leistungsstärkerer Kühlkörper verwendet wer-den, der in der Lage ist die ständig anliegende Verlustleistung von rund 8 Watt pro Kanal abzuführen.
Leider lässt sich nun auch das Platinenlayout nicht mehr sinnvoll verwenden und wenn doch, dann nur mit größerer Bastelei.
Klanglich lohnt sich der Umbau aber auf jeden Fall. Man erhält nun einen prima klingenden Verstärker zu einem immer noch sehr geringen Preis ... und was gibt es befriedigenderes, als am Ende mit einem selbst gebauten Verstärker belohnt zu werden, der klanglich auch noch wirklich gut ist!